Leseprobe:

Peter Reutterer: Lokalaugenschein (Kurzprosa, Bibliothek der Provinz, 1998)


Lokalaugenschein, 18.März

Ich fahre ans Meer, sage ich. Die schwarzhaarig Langgliedrige trägt nice sentences über ihrem Make-up. Ihre übergroßen Pupillen würden sich abwenden, setzte ich meine Zungenspitze an ihre violetten Lippen. Wer hört schon gerne, dass man stirbt. Du würdest die moving lines auf der Tanzfläche wahrnehmen, darin gezogen und gewunden. In New York ist Jazz Tanzmusik. Der Discjockey weiß, er ist alt. Die Basslinien rolle ich zu Behausungen auf. Wiegenlieder lehnen die Tänzerinnen und Tänzer aneinander. Ich fahre ans Meer, sage ich den kleinen und großen Händen, die mich arretieren wollen. Den Kopf in den Nacken gedrückt, atme ich. Ich sehe die Straße, auf der ich gehe. Meine Augen tasten Augen. Zu Boden gekommen.

Lokalaugenschein, 1.Oktober

Am Pier in die blauweißen Streifen eines Liegestuhles gebreitet. Erotik ist easy oder nicht. Deine weiße Haut unter den Filmsouvenirs am Kiosk. Feuchtglänzende Watt. Glamour and glimmer im Seewind. Ich komme aus einem Land ohne weitgestreckte Wasser. Kristallkugeln sind innen fleischlos. Ich denke in einer fremden Sprache. I do not understand. Zumeist Kälte im Heimatland. Dementia securitatis. Wie schlüssig gehen Wahnsinn und Geborgenheit ineinander. In Sitzkissen versinke ich. Für die Länge einer Zigarette ein Aufglühen im landesweiten Frost. Dein süßes Parfum Dir von den Ohrläppchen lecken. Meine Tochter beginnt ins Bett zu nässen. Meine Kopfräume öffnen sich zusehends denen, die sich abwenden.

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